documenta I – III

Die 1955 erstmals durchgeführte documenta in Kassel ist weltweit neben der Biennale von Venedig wohl die bedeutendste wiederkehrende Ausstellung zur modernen und zeitgenössischen Kunst. Begründer war der Künstler und Kurator Arnold Bode. 1954 suchte Bode Werner Haftmann in Venedig auf, dessen Band Malerei im 20. Jahrhundert soeben erschienen war. Haftmann schien Bode aufgrund seiner Kontakte zu vielen Künstlern der richtige Mann für die kunsthistorische Leitung der documenta zu sein.

Diese Zusammenarbeit bestand bis zur documenta III (1964). Da Haftmann jedoch im Grunde genommen ein Gegner von Institutionen jeglicher Art war, war er darüber besorgt, die documenta würde ins Institutionelle abgleiten und beendete seine Arbeit in Kassel im Vorfeld der vierten Ausstellung. Kurze Zeit später wurde er zum ersten Direktor der Neuen Nationalgalerie in Berlin berufen.

Zur Eröffnung der documenta III am 27. Juni 1964 erläuterte Haftmann das Konzept:

“documenta war so entstanden, aus ganz persönlicher Initiative, als Arnold Bode mit der Botschaft daherkam, dass sich hier in Kassel prächtig-mächtige Ruinen fänden, die geradezu danach riefen, neues Leben - wie man so sagt - aus ihnen blühen zu lassen. Leben, das war für uns natürlich Kunst! (…) Wenn ich mich zurückerinnere, so waren es mehr unsere Begegnungen an den Schauplätzen des internationalen Kunstlebens, unsere Gespräche in venezianischen Tavernen oder auf den Brücken von Paris, in denen die documenta-Ideen sich formten. (…) Es war also nicht die deutsche Situation (…) es war etwas Übergeordnetes - eine Zusammenschau des allgemeinen Kunstbildes, das aus den Leistungen einzelner Persönlichkeiten sich zusammensetzte. (…) ein synthetisches Bild der Vorstellung also, ein künstlich-künstlerischer Entwurf, der sich aus Erlebnissen und Erfahrungen in der weiten Landschaft der Kunst formte, ein Luftschloss, wenn Sie so wollen. (…)” (abgedruckt in Melos, Zeitschrift für Neue Musik, Heft 9, 31. Jg., September 1964 unter dem Titel “Die institutionelle Gefahr”)

documenta I (1955)

Haftmann vor einem Gemälde von Nay Werner Haftmann im Jahr 1951

documenta I sollte zeigen, wie die Kunst des 20. Jahrhunderts sich im europäischen Raum entwickelt hatte und was moderne Kunst war. Diese Aufgabe stellte sich damals aus der deutschen Situation dringend. documenta I erfüllte diese Aufgabe, indem sie den Blick insbesondere auf jene Kunst richtete, die wenige Jahre zuvor noch als entartet gegolten hatte. Die Ausstellung war ein großer Erfolg und hatte sogar eine überraschend weite Wirkung in der internationalen Kunstwelt. Sie war die Vorläuferin der großen Ausstellung in Boston Modern European Art 1957 und der Ausstellung 50 Ans d’Art Moderne 1958 in Brüssel.

documenta II (1959)

documenta II führte den Arbeitstitel Kunst seit 1945 und war - im Gegensatz zur d1 - nahezu ausschließlich auf die unmittelbare Gegenwart gerichtet. Sie zeigte in einem breiten Überblick die künstlerischen Richtungen und Persönlichkeiten, die sich seit 1945 entwickelt hatten. Der Fokus lag dabei auf der Abstraktion und der US-amerikanischen Kunst.

documenta III (1964)

Haftmann äußerte sich am 27. Juni 1964 zum Konzept der dritten documenta:

“dokumenta III hat einen anderen Ansatz. Sie läßt sich nicht mehr auf Argument und Gruppe ein. Ihr liegt der einfache Leitsatz zugrunde, daß Kunst das ist, was bedeutende Künstler machen (Augustinus). Sie setzt auf die einzelne Persönlichkeit. Ihr kommt es auf die Reihung von Schwerpunkten an, die Verbindung zueinander aufnehmen. (…) Eine bestimmte Konstellation tritt hervor, in der jede einzelne Individualität ihren eigenen unverwechselbaren Rang hat und doch am größeren Ganzen mitwirkt.” (aus: Kat. documenta III, Malerei, Skulptur, S. XIV)

Neu an documenta III war die Abteilung moderner “Handzeichnungen” mit 500 Blättern, die in dieser Breite bisher noch nicht gezeigt worden war. Haftmann verarbeitete in dieser Ausstellung das gesamte Material seines geplanten Projekts Zeichnungen des 20. Jahrhunderts, das ursprünglich als dritter Band seiner Malerei im 20. Jahrhundert erscheinen sollte, aber nie publiziert wurde.

Künstler

Die Zahl der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler an den drei ersten documenta-Ausstellungen war immens. Es waren weit über 500, und ihre Namen lesen sich wie ein Lexikon der modernen und zeitgenössischen Kunst der Nachkriegszeit. 1955 wurden 148 Künstler gezeigt, 338 im Jahr 1959 und gar 361 bei Haftmanns letzter Beteiligung 1964 – viele von ihnen waren also auf allen drei Veranstaltungen vertreten. Alle Namen finden sich auf der deutschsprachigen Wikipedia unter documenta I, documenta II und documenta III. Eine interessante Quelle ist auch das Documenta-Archiv mit Charakterisierungen der drei Ausstellungen sowie zahlreichen Fotografien.

Drucken