Italien

Innenhof mit Arkaden Werner Haftmann 1987 in Gubbio

Auf die Frage “Wo möchten Sie leben?” der Frankfurter Allgemeine Zeitung antwortete Haftmann: “In Italien – reisend” (FAZ, 6.3.1992). Dante nannte er als seinen Lieblingsschriftsteller, und Giotto sowie Piero della Francesca gehörten zu seinen Lieblingsmalern. Neben Englisch und Französisch sprach er fließend Italienisch.

Bereits seine Dissertation behandelte ein italienisches Thema: das italienische Säulenmonument (siehe Literaturverzeichnis). Seit seiner Tätigkeit als Assistent am Kunsthistorischen Institut in Florenz zwischen 1936 und 1940 ließen ihn Italien und insbesondere die Toskana nicht mehr los. Damals reifte sein Entschluss, seine kunsthistorische Tätigkeit auf die Kulturgeschichte der Frührenaissance in Italien zu konzentrieren und zwar ganz im Sinne Aby Warburgs, der die Kunstentwicklung im Zusammenhang mit Kultur sah und dem es Ernst H. Gombrich zufolge nicht um Stile ging, die sich nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten entfalten, sondern um Individuen, die in Konflikte und Entscheidungen verwickelt waren. (E.H. Gombrich, Aby Warburg, Hamburg 1992).

zwei Männer betrachten einen Kircheninnenraum Werner Haftmann und Michael Semff 1988 in Cividale del Friuli

In Haftmanns Nachlass finden sich unzählige, handgeschriebene Zettel mit Notizen über Fürsten, Bettelorden, Ketzerwesen, Philosophen, Rechtswesen, Schriftsteller. Es finden sich aber auch Notizen über das städtische Leben der Kaufleute, Handwerker und das normale Volk. Ministoria nannte er dieses Forschungsgebiet, das später (1985) von Philippe Ariès und Georges Duby in der Geschichte des privaten Lebens eindrucksvoll erarbeitet wurde. Er lernte Bernard Berenson kennen, dessen Bibliothek in der Villa I Tatti er in den 1980er Jahren wieder häufig frequentierte.

Sein Projekt einer Kulturgeschichte der italienischen Frührenaissance konnte Haftmann nie verwirklichen. Aus dem Krieg zurück schrieb er stattdessen seine Malerei im 20. Jahrhundert, weil ich ein Buch über die Entwicklung der modernen Malerei lesen wollte, es dieses aber nicht gab, wie er in einem Interview einmal äußerte.

Haftmann sprach oft von der Italianità. In seiner Rede zur Münchner Ausstellung Italienische Malerei im Jahr 1951 betonte er, in der Kunst bedeutete dies

“… die bildnerische Idee von der originalen Solidität der Dinge. (…) Giotto und Massaccio gingen von ihr aus. (…)

Der Italiener begreift künstlerische Tätigkeit seit je als Geist der Ordnung an den Dingen. Einfach dichte Körperlichkeit, plastische Präzision der Form, die das typische Zeichen aus dem Sichtbaren zu läutern sucht. (…)

Und noch ein weiteres! Das echte Italienertum zeichnet sich durch eine ganz tiefe, voraussetzunglose Menschlichkeit aus, die immer geneigt ist, dem Verfolgten, Gedrückten und Beleidigten unbesehen recht zu geben. Das führt über ein kurioses Paradoxon von Anarchie oft zu einer agressiven Grundhaltung gegenüber bestehenden Ordnungen. In der Kunst nun drückt sich die Zuwendung zum Menschlichen als umanismo plastico, wie die Italiener sagen, als bildnerischer Humanismus aus. (…)

Noch in der äußersten Abstraktion wird der Italiener nach lyrischen, den Menschen in seiner Haltung und Umwelt berührenden Formen suchen, weil ihm das logische Spiel mit den farbigen Formen allein nicht genügt. (…)

Diese Zuwendung zum Menschlichen gibt der neuen Malerei Italiens ein sittliches Pathos und eine menschliche Wärme, die in der Malerei der westlichen Länder nicht eben häufig sind.” (Manuskript im Nachlass)

zwei Männer und eine Frau im Gespräch Werner Haftmann und Willi Baumeisters Tochter Felicitas 1989 in Venedig bei Emilio Vedova (Mitte)

Nach seinem Ausscheiden aus der Nationalgalerie in Berlin mietete er ein Haus in der Nähe von Florenz (1976–1986) und lebte dort viele Monate im Jahr. Fast täglich recherchierte er im Kunsthistorischen Institut in Florenz und schrieb Artikel über die Medici (siehe Bibliografie), die Kunst in den Abruzzen und anderes mehr.

Sein Verhältnis zu italienischen Kollegen und Künstlern war herzlich, zu seinen Freunden gehörten unter anderem Emilio Vedova, Renato Guttuso, Giuseppe Santomaso, Giuseppe Zigaina und Giuseppe Marchiori.

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